Healing Environment – Entwicklungs- und heilungsfördernde Umgebung für krebskranke Kinder

München, 13. Februar 2013 – Kinder erkranken eher selten an Krebs. Dennoch zählt das Mainzer Krebsregister jährlich rund 1.800 Neuerkrankungen bei Kindern bis zum 15. Lebensjahr.

Obwohl sich die Heilungschancen in den letzten drei Jahrzehnten deutlich verbessert haben, bedeutet die Krebserkrankung eines Kindes eine extreme Belastung für die ganze Familie. Das betroffene Kind wird aus seiner vertrauten Umgebung (Familie, Kindergarten, Schule, Freunde) gerissen. Ein bevorstehender Krankenhausaufenthalt in einer ungewohnten Umgebung kann beängstigend und beklemmend auf das kranke Kind wirken. Jeder zusätzliche äußere Stressfaktor stellt eine Gefahr für die Gesundung und die normale Entwicklung des Kindes dar. Auf der anderen Seite kann die Umgebung auch dazu genutzt werden, das Stresserleben zu verringern und durch positive Anregung den Heilungsprozess sowie die normale Entwicklung des Kindes zu unterstützen.
Erste internationale Konferenz zum Thema „heilungsunterstützende Umgebung“ erfolgreich
Mit dieser als „heilungsunterstützend“ bezeichneten Umgebung ist unter anderem die gebaute Umgebung gemeint, das sogenannte Healing Environment. Auf der ersten internationalen Konferenz zum Thema „Optimal Healing Environments“ in Rotterdam diskutierten vom 28.-30. November 2012 Experten aus Forschung und Praxis, inwieweit eine gebaute Umgebung tatsächlich zur Genesung von Menschen beitragen kann. Organisiert wurde die dreitägige Konferenz vom deutsch-niederländischen Forschungs- und Architekturbüro kopvol – architecture & psychology in Zusammenarbeit mit der niederländischen Stiftung zur Architekturförderung und dem Samueli Institute, USA. Insgesamt waren 130 Besucher aus den Bereichen Architektur, Design, Gesundheitswissenschaft und Medizin der Einladung nach Rotterdam gefolgt; den Auftakt der Konferenz bildete ein Symposium, das einen weiten Bogen zu diesen Themenbereichen spannte. „Wir müssen an der wissenschaftlichen Tiefe und der räumlichen Qualität und Umsetzung arbeiten, um endlich von ,hip‘ nach sinnvoll und nützlich zu gelangen […]“, so die Forderung der Veranstalterin Gemma Koppen (kopvol – architecture & psychology). Wie diese Vertiefung aussehen kann oder unbedingt nicht auszusehen hat, beleuchteten im Anschluss an die Veranstaltung sieben internationale Sprecher zum Teil anhand eigener Forschungs- und Entwurfsprojekte. Den Abschluss bildete die „Forscher Perspektive“ mit einem Beitrag von Professor Evert van Loenen (Phillips Human Interaction Laboratory) zum ,Patientenzimmer der Zukunft‘. In diesen Patientenzimmern der Zukunft unterstützen technische Lösungen Patienten bei der Orientierung und Kommunikation, helfen ihnen aber auch dabei, Abstand zu den medizinischen Behandlungen zu bekommen. Dr. Tanja Vollmer, Psychobiologin und Mitbegründerin von kopvol – architecture & psychology, zeigte an einem Beispiel der Kinderonkologie auf, dass derartige räumliche Interventionen sogar noch weit über das Technische hinausgehen können.

Krebskranken Kindern eine Überlebenschance von 90 Prozent ermöglichen
Am Beispiel des Nationalen Kinderonkologie Zentrums (NKOC), das 2016 in Utrecht mit dem Namen Prinses Máxima Centrum für Kinderonkologie eröffnen wird, wurde der Stellenwert einer entwicklungs- und heilungsfördernden Umgebung für Kinder mit einer Krebserkrankung bereits in der ersten Planungsphase hervorgehoben. „Häufig reichen kleine Entwurfslösungen aus, um große Effekte zu erzeugen. Wichtig ist, sie frühzeitig im Prozess zu entwickeln und einzubauen“, erklärte Dr. Tanja Vollmer, deren Büro an der Planung und Entwicklung eines Healing Environment im NKOC beteiligt ist. Dass über 90 Prozent der Kinder eine Chance haben, ihre Erkrankung zu überleben, ist eines der wichtigsten Ziele des NKOC. Aktuell liegt die Überlebenschance krebskranker Kinder bei 75 Prozent.
Entscheidend in der Entwicklung von Designkriterien für ein Healing Environment sei eine vorausgehende psychologische Analyse des Patientenverhaltens und -bedürfnisses, betonte Vollmer. Um einen potentiellen Zusammenhang zwischen der Krankenhausumgebung und der kindlichen Entwicklung wissenschaftlich zu prüfen und aus den Ergebnissen Designfaktoren abzuleiten, wurden über 50 Experten aus der pädiatrischen Onkologie, Eltern krebskranker Kinder sowie die betroffenen Kinder im Alter von 5-17 Jahren über mehrere Monate interviewt, ihr Verhalten in der Krankenhausumgebung gefilmt und ,Mental Maps‘ (eine geistige Darstellung des Raumes) angelegt. Aus den Ergebnissen wurden fünf zentrale Designfaktoren eines „entwicklungsfördernden Gebäudes für Kinder mit Krebserkrankung“ entwickelt. Die fünf zentralen Designfaktoren dienen als Basis für den architektonischen Entwurf des NKOC. Einer dieser Faktoren ist der sogenannte „flexible Abstand zwischen Eltern und Kind“ – ein wesentlicher Aspekt, der im späteren Gebäude auf alle Bereiche angewendet wird, in denen sich Eltern und Kinder längere Zeit aufhalten. Der „flexible Abstand zwischen Eltern und Kind“ ist deshalb so bedeutsam, da durch die psychischen Belastungen der Krebserkrankung der Kinder das Bedürfnis nach emotionaler Nähe zwischen Eltern und Kind steigt.
Neues Patientenzimmer – einzigartige Gestaltung von Nähe und Abstand
Im NKOC-Beispiel wurde eine Eltern-Kind-Einheit als Grundlage einer neuen Typologie eines Patientenzimmers für krebskranke Kinder entwickelt. In dem sogenannten OKE-Zimmer (aus dem Niederländischen: Zimmer zur Unterstützung der Eltern-Kind-Einheit) kann der räumliche Abstand zwischen Eltern und Kind flexibel verändert werden und zwar abhängig vom Bedürfnis und Wohlbefinden des Kindes aber auch vom Bedürfnis der Eltern. So können Eltern und Kind mehrere Stunden bis Wochen bequem sehr nahe beieinander leben. Zugleich ist es möglich, sich entweder nur zu sehen und/oder zu hören, ohne dass ein Gefühl von räumlicher Trennung entsteht. Die 38 Quadratmeter großen Zimmer verfügen über einen deutlich erkennbaren Kind- und Elternteil. Beide Teile haben einen Eingang und einen eigenen Badbereich. Aufgrund dieser Voraussetzungen bietet die Eltern-Kind-Einheit ausreichend Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten. So kann das Kind beispielsweise Freunde empfangen, während die Eltern in ihrem Bereich arbeiten. Durch eine spezielle flexible Trennwand kann das OKE-Zimmer aber auch so geöffnet werden, dass die ganze Familie in einem Raum gemeinsamen Aktivitäten nachgehen kann. Außerdem hat das OKE-Zimmer Zugang zu einem Balkon oder Terrasse. Das OKE-Zimmer vermittelt dem Kind kognitive und physische Anreize das Bett zu verlassen. Und es gibt dem Kind den notwendigen Schutz und die medizinische Versorgung, welche Patienten benötigen, ermöglicht aber gleichzeitig, sich vom reinen „Patientendasein“ loszueisen. Zusätzliche Angebote, die den Heilungsprozess unterstützen, können vom OKE-Zimmer sehr schnell, innerhalb einer Minute, erreicht werden. Das OKE-Zimmer unterstützt die Autonomie-Entwicklung der Kinder und gibt ihnen das Gefühl der Selbstkontrolle zurück. Der flexible Abstand zwischen Eltern und Kind ermöglicht Privatsphäre und Bewegungsfreiheit, ohne dass das kranke Kind auf die Nähe der Eltern verzichten muss. Hierdurch wird das Urvertrauen des Kindes gestärkt und seine Angst gesenkt. Die Eltern-Kind-Einheit kann durch die besondere Raumgestaltung, die bisher in onkologischen Kinderkliniken noch völlig außer Acht gelassen wurde, den Heilungs- und Entwicklungsprozess des kranken Kindes unterstützen. Ausblick
Um einen derartigen seriösen Erfolg und Fortschritt in der Entwicklung von Heilenden Umgebungen zu erzielen, müssen Wissenschaft und Design in Zukunft effektiver zusammenarbeiten. kopvol – architecture & psychology arbeitet bereits seit 5 Jahren mit dieser Firmenphilosophie und -praxis. Das Fazit der ersten internationalen Konferenz zum Thema „Optimal Healing Environments“ bestätigte ihren Ansatz: „Eine bessere Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen zur langfristigen Verbesserung der Gesundheitsarchitektur“, forderten die Teilnehmer. So arbeiten bis Februar 2013 Wissenschaftler aus den Bereichen Zeitwahrnehmung, Ästhetik, Patienten-Empowerment, Medizin und Pflege sowie Architekten gemeinsam an der Entwicklung von stressreduzierenden Zonen für Krankenhäuser, sogenannten „powerpoints“.

Weitere Informationen zu den einzelnen Beiträgen der Veranstaltung finden Sie unter www.iapah.nl

Weitere Informationen zu NKOC (Nationales Kinderonkologie Zentrum) finden Sie unter www.nkoc.nl

Über:

kopvol – architecture & psychology
Frau Tanja Vollmer
Mathenesserdijk 416e-f 416e-f
3026 GV Rotterdam
Niederlande

fon ..: +31 (0) 10 844 3464
fax ..: +31 6 21 853 115
web ..: http://www.nkoc.nl
email : tvollmer@kopvol.com

kopvol – architecture & psychology ist ein deutsch-niederländischen Forschungs- und Architekturbüro mit Sitz in Rotterdam. Teils in Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen, werden Räume entworfen, die Heilung unterstützen, sogenannte Healing Environments.

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